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Jobs to be Done (JTBD) – Verstehe die Aufgaben und Bedürfnisse deiner Kund:innen

Manuel Schmidt
Kundenzentriertes Arbeiten bedeutete in der Vergangenheit fast immer das Gleiche: Kund:innen kennenlernen und von ihren Charakteristiken auf ihr (Konsum-) Verhalten schließen. Aber das tatsächlich schon alles?

Was auf den ersten Blick sinnvoll klingt, ist jedoch nicht ganz makellos.

Das noch recht junge Prinzip „Jobs to be done“ stellt einen alternativen Ansatz dar, mit dem Du einen direkteren Zugang zu deinen Kund:innen gewinnen kannst.

Jobs to be done - Darum geht es

Das Thema der Jobs to be done kannst Du für die Digitalen Touchpoints mit deinen Kund:innen ebenso heranziehen wie für die Produktentwicklung. 

Das Grundproblem

Bisher galt der Grundsatz: Je besser Du deine Zielgruppe kennst und sie beschreiben kannst, desto besser sind die Produkte und Services, die Du auf Grundlage dieser Überlegungen entwickeln kannst. Datengestützt wurde deshalb versucht, so viel wie möglich über den Kunden und das, was ihn ausmacht, herauszufinden. Mit detaillierten Personas wurde den Kunden ein Gesicht und eine Persönlichkeit gegeben. All das sollte dazu dienen, sich in die eigenen Kunden hineinversetzen zu können, schließlich gehört man oft genug gar nicht selbst zur Zielgruppe.

Allerdings sollte eine Sache dabei bedacht werden: Von der Charakteristik eines Menschen kann nicht einfach sein Handeln vorhergesagt werden. Es gibt viele Korrelationen zwischen den Eigenschaften eines Menschen und seinen Handlungen. Doch oft sind diese gar nicht kausal.

Dies kannst du dir mit folgender Frage ganz einfach selbst vergegenwärtigen: Handle ich auf eine bestimmte Art und Weise, weil ich ich bin? Oder handle ich so, weil ich eine Aufgabe erfüllen, etwas erreichen will?

Ein weiterer häufig auftretender Fehler liegt darin, sich zu sehr auf das jeweilige Produkt oder falsch verstandene Kundenbedürfnisse zu fokussieren. Das folgende bekannte Zitat von Theodore Levitt bringt es auf den Punkt:

„Kunden wollen keinen Bohrer, sie wollen ein Loch in der Wand.“

Anstatt sich darauf zu konzentrieren, einen besseren Bohrer zu entwickeln, sollte also das eigentliche Problem im Vordergrund stehen. Die zugrunde liegende Aufgabe, zum Beispiel ein (schweres) Bild aufzuhängen oder ein Wandregal zu befestigen.

Die Jobs to be done-Theorie

Ein Ansatz, um diese Fehler zu umgehen, ist in der JTBD-Theorie zu finden. Sie besagt, dass es bei Kaufentscheidungen primär darum geht, eine Aufgabe, also einen Job zu erfüllen. Die Nutzer „kaufen“ keine Produkte oder Dienstleistungen, sondern „engagieren“ sie, um einen Job zu erledigen.

Als Erfinder der Jobs to be done-Theorie gilt Clayton M. Christensen, Professor an der Harvard Business School. Seine Theorie hat er im folgenden Zitat zusammengefasst:

Customers don’t just buy products, they hire them to do a job.

Im Zentrum der Überlegungen steht dabei die Frage, warum Kunden ein Produkt kaufen oder einen Service nutzen, oder anders formuliert: welchen Job sie erledigt haben wollen. Je nützlicher Dein Produkt bei der Erfüllung dieses Jobs ist, desto zufriedener werden Deine Kund:innen damit sein.

Der Theorie liegen dabei drei Annahmen zugrunde:

  • Kunden und Kundinnen kaufen ein Produkt oder einen Service, um eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen: Es geht letztendlich darum, ein übergeordnetes Ziel zu erreichen. Ein Fahrgast will keine Fahrt in einem Taxi, sondern einen Ort erreichen. Ein Bauarbeiter will keine Schubkarre schieben, sondern Material transportieren.
    Eine solche Aufgabe wird Job to be done.
  • Die Aufgabe bildet das Zentrum von Strategien und Innovationen: 
    Nicht das Produkt oder die Kundin / der Kunde selbst sind dieser Mittelpunkt
    Produkte entwickeln sich mit der Zeit weiter, der Job to be done bleibt jedoch grundlegend gleich.
    Daraus resultiert: Werden die Kundenbedürfnisse am Job to be done ermittelt, so bleiben diese ebenso stabil und auf lange Sicht gültig.
  • Die Jobs Deiner Kund:innen eröffnen Dir ganz neue Perspektiven: 
    Strategie und Innovation können durch JTBD auf stabilen Kundenbedürfnissen aufbauen – den Kundenbedürfnissen, die das größte Wertschaffungspotenzial bieten.

Wie Dir das Jobs to be done Prinzip hilft

Das JTBD-Prinzip lässt sich in vielen Bereichen anwenden und kann Dich in deinem Unternehmen vielfältig unterstützen, etwa in den folgenden Anwendungsgebieten:

  • Customer Centricity – Für Dich und Dein Team ein gemeinsames Bewusstsein für Kund:innen und ihre Bedürfnisse schaffen. 
  • Kundensegmentierung – JTBD kann als Basis für eine neue Form der Segmentierung dienen, indem nach den unterschiedlichen Jobs gefragt wird.
  • Marketing – Kundenansprachen können treffsicherer gestaltet werden, etwa indem sie auf relevante Produktmerkmale eingehen. 
  • Wettbewerbsbetrachtung – Markt und Konkurrenzumfeld lassen sich mithilfe von Jobs to be done aus einer anderen Perspektive betrachten. 
  • Innovationen – Durch die mithilfe von JTBD gewonnenen Erkenntnisse kannst Du neue Produkte und Geschäftsmodelle entwickeln, die sich noch besser an den Kundenbedürfnissen orientieren

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Dimensionen der Betrachtung

Die Ziele, die Jobs, deiner Kunden und Kundinnen lassen sich in direkte und indirekte Ziele einteilen. Die direkten Ziele stellen dabei die offensichtlichen Aufgaben dar, die im Vordergrund stehen. Die indirekten Ziele sind dagegen nicht so leicht ersichtlich. Um sie zu ermitteln, musst du Genau hinterfragen, zum Beispiel mit der „5-Why-Methode“.

Neben den direkten und indirekten Zielen gilt es auch andere Aspekte zu betrachten. Ein Job besitzt dabei funktionale, emotionale und soziale Aspekte. In der Regel stellt dabei der funktionale Aspekt das direkte Ziel dar, während die emotionalen und sozialen Aspekte oft nicht so leicht zu erkennen sind und indirekte Ziele darstellen.

Nicht alle Aspekte sind immer gleich relevant und nicht alle müssen immer adressiert werden. Es geht vielmehr darum, ein Bewusstsein für die Bedürfnisse zu entwickeln, die über den funktionalen Nutzen hinausgehen. Das Fragen nach sozialen und emotionalen Faktoren schafft eine Erweiterung des eigenen Horizonts, die für die Aha-Momente bei der Arbeit mit der JTBD-Methode sorgt.

Das Milchshake-Beispiel

Das bekannteste Anwendungsbeispiel für die Jobs to be done-Methode stammt von Christensen selbst. Er beschreibt darin, wie er und seine Kollegen von einer Fast-Food-Kette damit beauftragt wurden, die Verkäufe von Milchshakes anzukurbeln.

Im Vorfeld hatte das Unternehmen bereits selbst versucht, den Absatz zu erhöhen, indem Kund:innen aus der Milchshake-Zielgruppe zu möglichen Verbesserungen des Produkts befragt und ihr Feedback umgesetzt wurde. Die Änderungen hatten jedoch keinen Einfluss auf die Verkaufszahlen.

Jobs to be Done Milchshake
Job to be done "Milchshake-Erkenntnis" von Clayton M. Christensen

Einer von Christensens Kollegen wählte einen anderen Ansatz und fragte danach, welche „Jobs“ die Kund:innen erledigt haben wollten. Das Team befragte vor Ort Kund:innen und stellte andere Fragen als zuvor das Unternehmen, nämlich die nach den Jobs. Dabei zeigte sich, dass sehr viele Milchshakes morgens verkauft werden und sie besonders bei Pendlern beliebt sind. Durch die Befragungen konnten folgende Ziele und Aspekte ausgemacht werden, die bei der Kaufentscheidung für Milchshakes eine Rolle spielen:

  • Direkte Ziele: Beschäftigung auf der Autofahrt. Zeitvertreib und Ablenkung auf der Fahrt zur Arbeit. Sättigung – satt werden und auch längere Zeit bleiben
  • Indirekte Ziele: Verzehr ohne Krümel oder klebrige Finger. Praktische Aufbewahrung im Becherhalter. 

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Mehr Informationen

In diesem Video kannst Du das Beispiel und Claytons Gedanken dazu selbst noch einmal nachvollziehen.

Im Beispiel ließen sich folgende Learnings ableiten:

  • Der Hauptjob des Milchshakes lässt sich als „Zweites Frühstück“ zusammenfassen.
  • Das Marktumfeld besteht also nicht aus anderen Milchgetränken, sondern aus Alternativen zu Frühstück to go wie etwa Sandwiches, belegten Brötchen oder Banane.

Aus diesen Erkenntnissen wurden dann folgende Änderungen am Produkt abgeleitet, die letztendlich zur gewünschten Absatzsteigerung führten:

  • Festere Bestandteile und engere Strohhalme führen zu längerer Verzehrdauer und somit mehr Ablenkung bei der Fahrt.
  • Optimierung der Bechergröße im Hinblick auf Becherhalter in Autos führen zu mehr Inhalt, der sich aber trotzdem noch sicher und einfach im Auto aufbewahren lässt. 
  • Einführung einer Self-Service-Lane für unkomplizierteren und schnelleren Kauf.

Wie Du Jobs to be done selbst einsetzen kannst

Natürlich lässt sich die Methode nicht nur bei Milchshakes anwenden, sondern kann Dir auch in vielen anderen Feldern behilflich sein. Die folgenden Grundschritte bieten Dir einen roten Faden, der dich bei der Anwendung unterstützt. Die Inspiration dazu stammt von Digitalisierungs-Coach Andreas Diehl (Digitale Neuordnung) und lässt sich am besten in Form eines Workshops umsetzen.

  • Die Frage nach dem Warum: Frage dich, warum Kund:innen Dein Produkt in Anspruch nehmen und welche Aufgaben sie damit erfüllen möchten. Dabei sollten nicht nur die funktionalen, sondern auch emotionale und soziale Aspekte betrachtet werden. Jeder Teilnehmer formuliert seine Ideen auf Moderationskarten, wobei je ein Bedürfnis auf einer Karte stehen sollte.
  • Antworten auswerten: Sammle die Antworten, so dass jeder Ersteller sie kurz erklärt. Fasse ähnliche Ideen unter einer Formulierung zusammen. Du kannst optional auch nach der Art der Bedürfnisse (emotional, funktional, sozial) ordnen.
  • Ziele in User Stories übersetzen: Formuliere sowohl direkte als auch indirekte Ziele als User Stories, etwa „Ich kaufe das Produkt, um…“. Jedes Ziel sollte dabei eine User Story ergeben.
  • Die Frage nach dem Warum nicht: Überlege, weshalb Kunden Dein Produkt nicht kaufen und betrachte dabei auch Alternativen, Konkurrenz oder Workarounds, die Kund:innen stattdessen nutzen. Bewerte Dein Produkt sowie die Alternativen hinsichtlich Ziele und Bedürfnisse der Kunden.
  • Verbesserungspotenziale finden: Leite mithilfe der vorherigen Schritte ab, wo in Deinem Produkt, Service oder Deiner Strategie Verbesserungspotenziale liegen. Formuliere Hypothesen zur besseren Erfüllung der Kundenbedürfnisse und definiere Messgrößen, anhand derer Du den Erfolg bewertest.
  • Reden: Sprich mit Kund:innen und Nicht-Kund:innen. Stelle in Customer Development Interviews die Fragen nach dem „Warum“ und dem „Warum nicht“. Schaue den Nutzern dabei zu, wie sie Dein Produkt oder ggf. einen Prototypen verwenden. Nutze den Austausch und die Beobachtungen, um die Hypothesen zu überprüfen.

Bei der praktischen Anwendung kann dir auch eine JTBD-Canvas helfen, die ähnlich wie andere Canvases aus dem Design Thinking funktioniert.

Fazit

Jobs to be done ist eine noch junge Theorie bzw. Methodik, die nicht nach den Eigenschaften der Kunden fragt, sondern nach den übergeordneten Aufgaben (Jobs), die sie erfüllen möchten.

Dies führt dazu, dass ein neuer Blickwinkel auf Produkt, Nutzer und auch Konkurrenz gewonnen wird. In der praktischen Anwendung lässt sich der Ansatz gut mit bekannten Methoden, etwa aus dem Design Thinking, kombinieren.

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